Reisebericht Mai 2013


Dagmar Nüsser-Beismann

Mitte April startete ich, gemeinsam mit Fiona, Nathalie und Eva-Maria, drei meiner ehemaligen Schülerinnen an der Rudolf Steiner Schule Winterthur zu einer dreiwöchigen Nepalreise.

Zuerst mussten wir natürlich das von uns mitfinanzierte Kinderheim von Toyas Verein in Dharmasthali, im Norden des Kathmandutales besuchen. Der erste Stock ist nun fast fertig gebaut, es arbeiten immer 5–7 Arbeiter daran und Toya besorgt ihnen das Material. So fuhr er auch in der zweiten Woche nach Kathmandu und kaufte alles Nötige für die Badezimmer und für die elektrischen Installationen. Am Abend hatte er dann ein Taxi voller Material und wir halfen ihm es in sein Haus zu tragen. Toya hat wirklich einen sehr schönen Ort für das Haus gewählt; der kühle Wind von den nahen Bergen macht das Leben dort recht angenehm, es ist nicht so drückend heiß wie in der Stadt.

In 3-4 Wochen soll der erste Stock des Hauses fertig sein und dann wird Toya sich um die Kinder und um die amtlichen Dinge kümmern. Er freut sich schon sehr darauf, endlich mit der Arbeit beginnen zu können. Toya sagte mir, dass er den Rest seines Lebens damit verbringen möchte, Kindern ein Zuhause zu bieten an dem sie gesund und umsorgt aufwachsen können. Er möchte ihnen möglichst viele und gute Chancen für ihr Leben ermöglichen; dies sei sein höchster Lohn und alles was er möchte.

 

Im ersten Stock des Hauses befindet sich eine schöne grosse Küche, ein Bad, zwei Zimmer und ein Besucherzimmer mit Badezimmer. Toya möchte dieses Zimmer auch als Büro für seine Organisation nutzen und es ist auch für Freunde und Besucher gedacht zu Übernachten. In dem grossen Zimmer können 3 – 4 Kinder wohnen und in dem Kleinen möchte Toya mit seinem Sohn wohnen. Ich bin sehr gespannt darauf mitzuerleben, wie seine Ideen in einem halben Jahr konkret aussehen.

 

Toya hat bisher viel Geld für dieses Haus ausgegeben, das er sich teilweise von Freunden und Verwandten ausgeliehen und innerhalb von bis zu einem Jahr wieder zurückgeben muss. Gemeinsam mit unseren Freunden aus Österreich hat Toya bisher fast die Hälfte der Baukosten erhalten, es fehlen aber immer noch rund Fr. 14'000.-, dann ist das Haus so wie es jetzt steht abgezahlt. Für die Inneneinrichtung benötigt er nochmals Fr. 2'000 – 3'000.- dann kann der Betrieb losgehen. Ich hoffe sehr, dass wir ihm noch einiges von dieser Finanzlast abnehmen können.

 

Gemeinsam mit den drei Mädchen besuchten wir anschliessend drei nepalesische Schulen, zwei davon im District Rasuwa 4-5 Stunden nördlich von Kathmandu.

 

Als Erstes gings von Betini aus, teils zu Fuss, zur Dorfschule nach Jipjibe, dort hatte das neue Schuljahr noch nicht begonnen; es wurden gerade die Namenseinschreibungen für das kommende Schuljahr gemacht. Wir sahen in Jipjibe einen Neubau für 2-3 Klassen. Etwa 40-50 SchülerInnen begrüssten uns in einem Klassenraum und bedankten sich für das Geld das sie erhalten hatten. Sie haben unter anderem die Grundausstattung für eine Schulbibliothek gekauft, sehr schöne, stabile und wasserfeste Schränke, die voller Bücher waren.

Leider ist diese Schule sehr vom politischen System beeinflusst, wir sahen grosse maoistische Parolen an den Schulwänden. Toya schätzt es gar nicht, wenn man Schulen für politische Beeinflussung nutzt, sein Auftrag an die Schule war: „Entfernt die politischen Parolen und dann könnt ihr nochmals um Geld anfragen.“ Seine PEN Organisation nimmt die Anfragen der Schulen entgegen und entscheidet vorab über die Bedürftigkeit und Glaubwürdigkeit der Schulen.

 

An der nächsten Schule in Bhorle konnten wir viel Positives erfahren. Durch den neuen Mathematiklehrer konnte der Bildungsstand der älteren Schüler wesentlich verbessert werden, über 20 SchülerInnen der 10. Klasse konnten das Examen bestehen. Dies ist ein grosser Erfolg, waren es doch in den Jahren zuvor lediglich 2-3 von über 30 SchülerInnen. So sicherten wir ihnen nochmals das Jahresgehalt für diesen Lehrer zu. Zukünftig sollen sie sich jedoch darum bemühen ihre Personalprobleme selbst in den Griff zu bekommen. Sie können nun vor den staatlichen Behörden belegen, dass der Unterricht des alten Lehrers schlecht ist und dass die SchülerInnen viel mehr leisten können. Wir sahen auch in Bhorle einen Neubau mit 2-3 Klassenräumen. Toya konnte uns berichten, dass sich die Situation der Staatsschulen sehr verbessert hat in den letzten Jahren. Die Lehrer erhalten nun statt 100 Fr. Monatsgehalt 200 Fr. und die Schulen erhalten Gelder für den Schulhausbau.

In Bhorle wurden wir sehr herzlich empfangen und es wurde ein kleines Fest veranstaltet. Wir wurden reich geschmückt mit Blumenketten und Schals. Meine Schülerinnen hielten sogar eine kleine Ansprache und berichteten von den Unterschieden zwischen Nepal und der Schweiz.

 

 

In Kathmandu konnten wir eine grosse Privatschule besuchen. Sie liegt zwischen Baladju und Dharmastali und heisst „SACRED HEART“. In einem ehemaligen Bürogebäude sind über 500 SchülerInnen untergebracht. Sie werden fast ausschliesslich in Englisch unterrichtet und ihr Bildungsniveau ist sehr hoch. Die LehrerInnen erhalten nicht sehr viel Lohn, nur soviel dass sie gerade davon leben können und die Eltern zahlen das Schulgeld. Sie schicken ihre Kinder gerne auf diese Schule, da die Abschlussquoten sehr gut sind. Diese Schule erhält nur das Nötigste und wäre um Unterstützung sehr dankbar. Toya bleibt in Kontakt mit dem Schulleiter und nimmt Unterstützungsanfragen entgegen. Wir konnten in der 10. Klasse den Physikunterricht besuchen und anschliessend drängten sich die nepalesischen Kinder um die drei Schweizer Mädchen und wollten unbedingt mit ihnen reden. Sie sprachen alle sehr gut Englisch und so war der Austausch gut möglich.

 

In Betini lud mich der „Farmerclub“ ein, um sich für die Reise nach Pokhara zu bedanken, die wir ihnen im Februar durch Spendengelder ermöglicht haben. Sie konnten Tulsi Giri mit seinen Bio-Projekten in Pokhara und in Riwan besuchen. Diese Reise gab ihnen neue Anregungen, ihre Landwirtschaft in Betinee auf biologischen Landbau umzustellen. Auf dem Feld von Durga, der Frau von Toya, steht schon ein grosses Bambushaus, das sie als Treibhaus nutzen will und auf den Feldern von Nilacanta, dem Präsidenten des Farmerclub, sollen zwei weitere Bambushäuser entstehen. Nilacanta denkt daran eine Ausbildung im Biolandbau zu machen. Falls er eine Stelle findet, benötigt seine Familie Unterstützung um diese Zeit zu überbrücken. Auch der Farmerclub wendet sich mit Anfragen an die PEN Organisation.

 

Mein weiteres Interesse galt dem Demeterbetrieb von Peter Effenberger (One World), den er schon seit 17 Jahren in Nepal führt. Wir trafen Peter in Kathmandu in seinem Büro und überreichten ihm Biosaatgut aus Rheinau, gleichzeitig schauten wir uns seine Produktionsstätte für Räucherstäbchen und Tee an. Peter lud uns zum Essen ein, es gab köstliches tibetisches Essen bis wir fast platzten, dabei erzählte er uns noch die Geschichte der grossen Stupa in Bodhnath. Auf dem Rückweg von Pokhara, wo wir ein paar Tage verbrachten, konnten wir dann Peters Farm besuchen und eine Nacht dort bleiben. Es ist eine Farm wo Heilkräuter angebaut und verarbeitet werden, fast ausschliesslich in Handarbeit. Gemeinsam mit 15 Nepalesen konnten wir mithelfen Pfefferminzblätter abzuzupfen und für die Teezubereitung fertigzustellen. Die Farm liegt an einem Fluss und relativ tief; somit ist das Klima dort sehr warm und feucht, für mich war es in der Nacht zu heiss zum Schlafen. Wir erreichten die Farm über eine wunderschöne Hängebrücke auf einem schmalen Fusspfad, ca. eine halbe Stunde entfernt von der grossen Strasse nach Pokhara.

 

Neben diesen „geschäftlichen“ Terminen im Zusammenhang mit dem Verein, gab es auch noch viele andere Erlebnisse wie Wellnessbaden im Fluss, Sonnenbaden auf einem grossen Stein, Trekking durch Reisfelder und Kiefernwälder, Wanderungen mit Sonnenschirm und mit Regenschirm, eine farbenprächtige Hinduhochzeit, duschen im Mondschein und im Kerzenschein und immer wieder herzliche Einladungen zum Tee oder zum Daal Bhat. „Kommt einfach vorbei und seid unsere Gäste!“ hörten wir oft. Die Offenheit, die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Nepalesen ist sehr beeindruckend und bleibt unvergessen.

 

Ganz besonderen Dank gilt Toya, der uns die ganze Zeit begleitet hat. Er hat uns sein Haus, sein Zimmer, seine Aufmerksamkeit und seine Fürsorge gegeben und er war immer wieder so glücklich über seine Gäste aus der Schweiz. Ohne ihn wäre dies alles so nicht möglich gewesen. Ohne ihn wären wir nur Touristen gewesen; mit ihm wurden wir ein wenig „nepalesisch“. Wir bekamen wunderschöne Kleider von ihm, wir konnten Saris tragen an der bunten Hochzeit, wir konnten Bus fahren wie die Nepalesen und auch mit ihnen essen. Wir bekamen eine Ahnung davon, wie es ist in diesem Land zu leben.

 

Mich ganz persönlich haben wieder einmal die nepalesischen SchülerInnen beeindruckt. Die 10 Klässler sassen ganz aufmerksam und wissbegierig in ihren engen Bänken und folgten ihrem Physiklehrer. Ihre Augen waren wach und neugierig. „Wo ist meine Zukunft? Her damit, ich will sie angehen!“ - Dies schienen sie zu sagen.